In den Rathäusern des Landes herrscht derzeit ein Gefühl zwischen Wut, Ratlosigkeit und Resignation. Grund ist der kommunale Finanzausgleich, der den Kommunen für 2012 dramatische Kürzungen bescheren wird. Diese Spritze aus dem Landeshaushalt ist für viele noch immer eine der Haupteinnahmequellen, weil sie von den eigenen Steuereinnahmen nicht leben können. Das liegt nicht an den Gemeinden, sondern am verkorksten System ihrer Finanzierung. Das Land könnte daran etwas ändern. Und es könnte mehr sparen. Beides passiert nicht. Und das erzürnt die Bürgermeister – auch aus den Regierungsparteien.
„Wir sind es nach und nach leid, immer wieder zu betteln“. sagte Georg Juchheim, Bürgermeister von Wolfsberg und ehrenamtlicher Beigeordneter des Ilmkreises, am Montag zur Kreisversammlung der Bürgermeister des Gemeinde- und Städtebundes in Ichtershausen.
Und obwohl der CDU-Politiker kaum im Verdacht der DDR-Nostalgie steht, erinnerte ihn die aktuelle Lage der Kommunen doch an diese Zeit: „Wenn es damals im Sozialismus in der Wirtschaft nicht mehr weiter ging, wurden Strukturen geändert. Aber das hat alles bis zum Untergang nichts gebracht.“
Es klang in einigen Redebeiträgen nach Endzeitstimmung bei der turnusmäßigen Bürgermeisterversammlung im Ilmkreis. Denn es ging – wieder einmal – um die Kürzungen im Finanzausgleich, die für das kommende Jahr wohl nicht mehr abzuwenden sind. 250 Millionen Euro sind im Haushaltsentwurf Thüringens weniger für die Kommunen eingestellt.
Zwar deutet sich jetzt an, dass das durch ein Steuer-Plus von etwa 55 Millionen Euro abgemildert werden könnte, aber CDU und SPD streiten noch, ob diese Summe wirklich an die Kommunen gehen soll oder doch lieber an notleidende Ministerien. Andreas Beyersdorf, VG-Vorsitzender in Großbreitenbach, ist auf das Land so wütend, dass er sogar die Aussicht auf etwas mehr Geld nicht als positiv werten kann: „Sollen die im Land doch die 55 Millionen behalten. Das ist ein Tropfen auf den heißen Stein und löst unsere Probleme nicht“.
Beyersdorf ist wie Juchheim Mitglied der CDU, die im Lande regiert – gemeinsam mit der SPD. Ihre Äußerungen zeigen: Bei der gegenwärtigen Debatte spielen Parteigrenzen kaum eine Rolle, hier kämpfen Kommunen und Land gegeneinander. Wobei das Grundziel nicht einmal umstritten ist: Selbst Petra Enders, Großbreitenbacher Bürgermeisterin und Landtagsabgeordnete der „Linken“, warb in Ichtershausen um Verständnis dafür, dass das Land keine neuen Schulden machen will.
Aber die Verteilung der Lasten ist aus Sicht der Kommunen äußerst ungerecht. Denn während das Geld für Städte und Dörfer dramatisch gekürzt wird, gönnen sich manche Ministerien sogar mehr. Und an eigenen Strukturen hat das Land bisher kaum gerüttelt.
„Wenn man Bundesländer untereinander so vergleichen würde, wie es das Land mit den Kommunen tut, dürfte Thüringen nur 23 Landtagsabgeordnete haben“, sagte Ralf Rusch, Geschäftsführer des Thüringer Gemeinde- und Städtebunds in Ichtershausen.
Im Landtag sitzen aber nach wie vor 88 Abgeordnete – mit automatisch steigenden Diäten.
Dass sich im Land so wenig tut, liegt an der dort regierenden Großen Koalition aus CDU und SPD, die natürlich beide an der Wahrung der Wichtigkeit ihrer Ministerien interessiert sind und sich in Grundsatzdebatten ergehen – zum Beispiel über die Notwendigkeit von Gebietsreformen.
Nebenbei werden die Standards zum Beispiel für Kindertagesstätten erhöht und den Kommunen andere Belastungen aufgedrückt, für die es meist weniger Geld gibt, als es kostet. Wenn überhaupt. Das drückt auf das Gemüt, das war bei der Bürgermeistervollversammlung deutlich zu spüren. Die Amtsinhaber müssen sich in vielen Fällen im kommenden Jahr einer Wiederwahl stellen – und wissen nicht, wie sie die missliche Lage ihren Wählern erklären sollen, weil sie es selbst nicht verstehen.
Es wurde schon immer gern geklagt von den Kommunen. Das ist vielleicht eines der Hauptprobleme ihrer jetzigen Lage. Im vergangenen Jahr erteilte der Arnstädter Bürgermeister sogar einer CDU-Finanzpolitikerin praktisch Hausverbot, weil der Finanzausgleich damals ebenfalls gekürzt wurde. Aber bisher jammerten die Thüringer Kommunen auf relativ hohem Niveau, verglichen zum Beispiel mit denen in Sachsen. 2012 wird es nun wirklich an die Substanz gehen.
Dass gekürzt werden muss, stellen die Bürgermeister gar nicht in Abrede. Aber was ihnen jetzt plötzlich von einem Jahr auf das andere zugemutet wird, stellt viele vor unlösbare Probleme. Das wird sich bei der Haushaltsaufstellung zeigen, die in den meisten Kommunen noch gar nicht begonnen hat. Sie warten auf die endgültigen Zahlen.
Auch der Kreis wartet noch. Landrat Benno Kaufhold, immerhin stellvertretender CDU-Landesvorsitzender, machte keinen Hehl aus seiner Kritik am fehlenden Sparwillen des Landes und sprach von der Unmöglichkeit, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, selbst wenn man so gut wie alle freiwilligen Leistungen streicht.
Er lässt gerade alle Aufgaben zusammenstellen, die das Land nach unten weitergereicht hat, ohne volle Finanzierung. „Wenn das nicht aufhört“, so Kaufhold, „dann erleben wir das Jahr 2013 nicht“.