Des Arnschters Wohnzimmer

Warum bloß ist das Stadtfest so ein Anziehungspunkt? Die Angebote sind eher unspektakulär, das Wetter meistens durchwachsen. Aber es ist alles so schön geordnet. Und außerdem gehen die anderen ja auch hin.

Wenn man vom Bustreff kommt, beginnt die Drängelei schon am Knoblauchbrot. Gleich hinter der lustigen Lastwagenbühne, noch vor der Gügelbowle. An der Gulaschkanone wirds oft schon heftig, man kommt kaum bis zur Herdabowle durch. Dahinter kommt rechts der Langoswagen und dann links eigentlich die Zitzmann-Strecke. Aber Zitzmann hat zu, nicht nur zum Stadtfest. Dort gibts diesmal Handyhüllen. Geht man nach dem Stadtfest-Angeboten, müssen die Arnstädter Handyhüllen lieben. Und Bowle. Und Gürtel. Und Handbrot. Das kriegt man mittlerweile überall.

Natürlich ist es voll, aber dass man kaum durchkommt, hat noch einen anderen Grund. Der gemeine Arnschter, besonder der zur Korpulenz neigende, bleibt gern an besonders engen Stellen stehen, um sich mit einem anderen gemeinen Arnschter zu unterhalten, den er seit dem letzten Stadtfest nicht gesehen hat. Und wenn er gerade mal keinen trifft, bleibt der gemeine Arnschter trotzdem an jeder Engstelle stehen. Es könnte schließlich sein, dass dort einer vorbeikommt, den er seit dem letzten Stadtfest nicht gesehen hat.

Manches ist irritierend diesmal. Der ganze Städtepartnerschaftskomplex am Hopfenbrunnen ist weg. Die Bude aus Dubi, in der es jenes Kunstgewerbe gibt, das wahrscheinlich noch nie jemand gekauft hat. Jedenfalls hängen und stehen dort jedes Jahr die gleichen Dinge. Dafür gehen der Wein  aus Le Bouscat und der Gurktaler aus Gurk umso besser. Man konnte  – staubedingt – dort immer einigen Honorationen der Stadt so herrlich beim Abgleiten in selige Zustände zugucken. Diesmal gab es dort Kirschbier.

Kirschbier? Das gehört doch auf den Holzmarkt, gegenüber vom Handbrot! Da findet man es auch dieses Jahr trotzdem, wenn man den etwas tristen Teil der Erfurter Straße zwischen Hopfenbrunnen und Waffelstübchen überstanden hat. Dort fehlt einfach der Panflötenindianer.

Vom Holzmarkt-Kirschbier aber geht es gewohnt weiter. Bissel Softeis, hinter der Bühne dann Autos, die offenbar noch vom Autofrühling übriggeblieben sind. Dann der Stand mit den Blechschildern, Bratwurst, Bierwagen und schließlich Oblaten und tschechischer Senf, bevor ein Textil-Komplex unübersehbar signalisiert: Hier hört es auf. Mit dem guten Geschmack und dem Stadtfest.

Früher trällerte weiter unten an der Längwitz noch ein Pizza-Tenor und bei Gießlers war der Hof voll, aber das ist offenbar Geschichte. An einigen Stellen franst das Stadtfest sichtbar aus. Warum auch immer.

In der unteren Marktstraße versuchte man in diesem Jahr das Ausfransen durch betreutes Hüpfen und etwas internationales Flair abzumildern. Immerhin hatten der russische und der türkische Laden geöffnet und im Pfannkuchenhaus – Gott habe es selig – konnte man seine Kinder zum Schminken abgeben. Aber in der Rankestraße war völlig tote Hose. Noch töter als sonst. Lediglich vor dem Asiamarkt mühte sich der umgezogene Panflötenindiander. Das war zwar ein schöner geografischer Gag, aber akustisch ungelungen.  Die Stadtwerke-Bühne war einfach lauter.

Vor dem Ried (und auch am Markt) konnte man sich ohne Aufpreis von schmucken Jungs und Mädels befummeln lassen, ich glaube, Alleinstehende durften sich zwei Mal anstellen. Das Ried selbst wurde von einer Batterie malerisch vor der Kulisse der zwei Türme drapierten Dixie-Klos dominiert, denen folgerichtig mehrere Bierwagen gegenüberstanden. Aus der „Sonne“ heraus wurde zusätzlich „Fenster-Bier“ verkauft. Eine Geschmacksrichtung, die man sich im Gegensatz zum „Kirsch-Bier“ nur schwer vorstellen kann. Außerdem gab es den üblichen Stand mit dem nach einem bösen F-Wort benannten Schnaps und die Wumm-Wumm-Bühne.

Die Wumm-Wumm-Bühne auf dem Ried und die  Schalala-Bühne in der Schlossstraße sind die einzigen beiden, wo man sicher sein kann, was läuft. Narrhalla hat die Ecke am Zimmerstraßenbrunnen faschings- und goulaschkanonenmäßig wie immer voll im Griff, Roulade mit Klößen gibt es allerdings nur am Sonntag, Vorbestellungen erbeten.

Auf den anderen Bühnen ist alles möglich, aber manches auch unmöglich. Ist aber auch egal, man trifft sowieso jemanden, mit dem man quatschen will. Da spielt die Musik nicht so eine Rolle.

Zwischen Rathaus und Bachkirche steht mal weder  ein Riesenrad. Das kommt manchmal, manchmal auch nicht. Es wird besonders von Fotografen genutzt. Manche fotografieren das Riesenrad, manche fahren damit hoch und fotografieren Fotografen, die das Riesenrad fotografieren.

Vom Riesenrad aus sieht man auch, wohin sich der Städteparterschaftskomplex verzogen hat: in das geschützte Areal neben der Bachkirche.  Die Hoffnung mancher Honorationen, sich dort unbeobachteter betrinken zu können, war allerdings eine trügerische. Es war dort rammelvoll. Die Ecke ist aber auch zu idyllisch – und das Angebot stimmte.

Vom Markt aus muss man eine schlimmen Gürtel- und Textilabteilung erdulden, ehe man an der Bude für das Schmalzgebäck ankommt. Die hätte ich war inhaltlich eher an der Schlagerbühne in der Schlossstraße angeordnet, aber was solls. Vorbei an einer weiteren Anlage für betreutes Hüpfen kommt man in die unordentliche Rosenstraße.

Die Rosenstraße ist deswegen unordentlich zu nennen, weil sich dort jedes Jahr ein bisschen was ändert. Mal steht die Bühne da, mal dort. Und auch mit den Ständen ist das so eine Sache. Allerdings kann man sich (seit einigen Jahren) zumindest darauf verlassen, dass in der Straße das überteuertste Essensangebot zu finden ist: Ein paar wenige Fleischstücken namens Kaukasischer Schaschlik mit Brot und Zwiebeln für sechs Euro. Aber man muss nur Geduld haben. Weiter hinten sind äußerst preiswerte Fettbrote im Angebot.

Dass sich – wie in der Rosenstraße – bei Stadtfesten immer mal was ändert, mag für andere Städte normal sein. In Arnstadt ist es das nicht. Zum einen mangelt es wohl an Ideen, zum anderen will das wahrscheinlich der gemeine Arnschter auch gar nicht. Denn das Stadtfest ist irgendwie sein Wohnzimmer, da räumt man nicht so einfach was um. Es ist der Ort, an dem man Leute trifft, die man früher viel öfter traf: beim Tanz im RFT- oder Chemaklubhaus oder beim Tanztee im Jugendklubhaus. Das ist alles Geschichte, geblieben ist höchstens der Abschlussball in der Stadthalle. Und der ist einfach zu selten.

Und deshalb kommt der Arnschter eben wenigstens jedes Jahr zum Stadtfest. Egal, was da läuft und wie das Wetter wird. Am besten, man stellt sich an die engste Stelle. Da kommt dann auf jeden Fall jemand vorbei, mit denen man mal wieder reden möchte.

Hier übrigens mein Stadtfest-Schnellcheck vom vergangenen Jahr (viel hat sich nicht geändert – nur das Sonntags-Wetter war diesmal schlechter):

Stadtfest-Schnellcheck 2017

2 Gedanken zu „Des Arnschters Wohnzimmer“

  1. Ich hab den Beitrag jetzt nochmal aufmerksam durchgelesen. Aber ich finde keine Stelle, an der ich mich über mangelndes Publikum an der Kohlenmarkt-Bühne oder die schlechte Qualität der Darbietungen dort ausgelassen hätte. Sorry!

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