Wir Baulastträger

Wer das Abenteuer sucht, ist derzeit in Arnstadt richtig. Weil der Dammweg eine zusätzliche Abbiegespur bekommen soll, wird der Durchgangsverkehr über lange Zeit durch die Innenstadt gelotst. Das Ergebnis ist ziemlich zähflüssig. Auch auf der eigentlichen Baustelle. 

Die Vögel zwitschern lieblich in den Bäumen an der Gera, friedlich döst an der Einmündung des Dammwegs in die Ilmenauer Straße ein Bagger vor sich hin.  Die Sonne spiegelt sich an diesem letzten Maitag  in seiner Karosserie, aber niemand wird geblendet. Es ist ja keiner da. Nur manchmal verirrt sich ein Auto aus Richtung Straßburg-Kreisel hierher an die Absperrung, mancher fährt sogar durch. Es geht ja noch, aber man darf halt nicht. 

Der Bagger steht da, wo die neue Abbiegespur hin soll. Aber er baggert halt nicht.

In der Innenstadt hat sich derweil eine neue Art der Abenteuer-Stadtführung für Motorisierte entwickelt. Man fährt nicht einfach so durch, weil man irgendwo hin will, sondern erhält Gelegenheit, sich die Sehenswürdigkeiten ausführlich anzuschauen. Das wunderbare Ensemble von Landratsamt, Brunnen und Schloss, das niemals fertig wird. Oder die schöne alte Schule und den Fasanengarten. Und was sonst bei Führungen absolut zu kurz kommt: Das Amtsgericht. Drei oder vier Ampelphasen lang kann man nun dieses Kleinod von hinten bewundern und sich darüber freuen, dass man noch nie dorthin zitiert wurde.

Sicher hätte man an den Ampelphasen arbeiten können. Aber mit Ampeln ist das in Arnstadt so eine Sache. Das merkten Autofahrer schon öfter.

Es geht also gemächlich zu auf Arnstadts Straßen. Auch an der Stelle, wo eigentlich gebaut werden soll. Nur geschimpft wird dort weniger. Es ist ja keiner da.

Eine verpflanzte Eibe steht jetzt an der Kasseler Straße.

Dabei hatte es vielversprechend angefangen. Am 11. Mai rückten schweres Baugerät und beängstigend große Transportmaschinen an, um zwei Eiben vor dem dräuenden Baugeschehen zu retten. Sie wurden liebevoll aus- und an anderen Stellen der Stadt wieder eingebuddelt. Ich bin Nadelgehölzen außer zu Weihnachten nicht sehr innig verbunden, aber der Auftakt schien zu signalisieren: Hier wird nicht gekleckert, sondern geklotzt.

Seitdem wird eher nur geglotzt. Immer wieder schauen sich Leute kopfschüttelnd die sorgfältig abgesperrte Baustelle an, auf der nichts passiert. Nur der Asphalt wurde abgefräst und ein wenig Erde bewegt. Sonst ist Ruhe. 

Alles rot: Vorn die Absperrung, hinten die Feuerwehr.

Warum eigentlich der ganze Aufwand?  Wegen des neuen Feuerwehrhauses. Damit die roten Autos zügig an- und abrücken können, braucht es eine zusätzliche Abbiegespur vom Dammweg in die Straße, die neuerdings nach Sankt Florian heißt. 

Das mit der nötigen Abbiegespur war natürlich schon klar, als die neue Feuerwehr noch gar nicht gebaut war. Aber wenn man die Abbiegespur vor der Feuerwehr gebaut hätte, wäre es ja langweilig gewesen. So entstand erst das neue Haus, dann zog die Feuerwehr ein. Und nachdem alle Feuerwehrautos dort stationiert sind, wird nun die Straße umgebaut. Mit dem Nebeneffekt, dass die Feuerwehr wegen der Baustelle nur noch über einen großen Umweg in die Stadt kommt.  Ist doch viel spannender.

Gebaut wird nach einer Methode, die sich vor einigen Jahren schon in der Ichtershäuser Straße bewährt hat: Wer länger sperrt, kann sich mehr Zeit lassen.  „Die Bauzeit ist vom 10. Mai bis 10. September avisiert“, steht in der Ankündigung der Stadtverwaltung für diese eher kleine Straßenerweiterung. Am Amtsgericht würde man sagen: Vier Monate ohne Bewährung. Auch wegen der hohen Vorstrafen. Zur Erinnerung: In der Ichtershäuser Straße hat die Sanierung sogar Jahre gedauert. Das konnte auch damals nur durch konsequente Ausdehnung der Pausenzeiten erreicht werden. 

Falls nun jemand plant, den Arnstädter Innenstadtstau über die  A71 zu umfahren: ganz schlechte Idee.  Zufällig zur gleichen Zeit werden dort zwischen Arnstadt-Süd und Erfurter Kreuz Lärmschutzwände ausgewechselt, Sperrungen inklusive.  Eine Koordinierung der beiden Baumaßnahmen hätte es nicht geben können, weil am Dammweg die Stadt und an der Autobahn der Bund baut, sagen die Experten. Und das seien nun mal unterschiedliche „Baulastträger“.

Baulastträger ist wirklich ein schönes Wort. Aber nicht für die, denen das alles zu verdanken ist. Sondern für alle, die darunter leiden. Und zwar noch bis in den Herbst, wenn die Blätter wieder fallen. Außer an den verpflanzten Eiben. Die bleiben grün. Falls sie denn anwachsen, die hässlichen Dinger.

Baustellen-Update 7. Juni:
Es tut sich was. Zwar sind an der Einmündung Dammweg/Ilmenauer Straße nur ein paar Dreckhaufen dazugekommen, aber am Obertunk/Elxlebener Weg wird tatsächlich gebaggert, sieht nach Leitungsverlegung aus. Die schaffen das bis September!

4 Gedanken zu „Wir Baulastträger“

  1. Mit einer wunderbaren Ironie geschrieben, auf den Punkt gebracht. Die Arroganz und Ignoranz der „Projektleiter“ wird gegenüber den Einwohnern und Besuchern Arnstadt`s sehr schön und treffend veranschaulicht!

    Sehr gut und weiter so!
    LG

  2. Habe erst vor Kurzem von dieser wunderbaren Internetseite erfahren. Bin beeindruckt und neugierig.
    Vielen Dank!

  3. Echt klasse formuliert. Danke.
    Auf die Ampelphase für die Feuerwehr bin ich schon ganz gespannt.
    Bald sehen wir wie es läuft.

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