Geht doch

Der Arnstädter Stadtrat hat heute nach knapp 90 Minuten sachlicher Diskussion ein Haushaltssicherungskonzept verabschiedet – ohne gegenseitige Beschimpfungen, Beleidigungen oder ideologisch verbrämte Halbwahrheiten. Das ist angesichts der Scharmützel der vergangenen Wochen fast ein kleines Wunder. Die Probleme sind damit allerdings noch lange nicht gelöst.

Am Anfang war es wie immer. Der Bürgermeister eröffnete die Stadtratssitzung und unterbrach sie gleich wieder – weil man sich über die Tagesordnung nicht einig war. Danach 25 Minuten Fingerhakeln der Fraktionsvorsitzenden am Präsidiumstisch: Das konnte ja heiter werden.

Doch was dann folgte, war eine richtige Stadtratssitzung.
EINE RICHTIGE STADTRATSSITZUNG. In Arnstadt.
IN ARNSTADT! Man kann es nicht oft genug sagen. Und ich weiß nicht, wann ich das zuletzt erlebt habe.

Es gab zwei Haushaltsicherungskonzepte. Eines vom Bürgermeister, das vom Bürgerprojekt und der SPD (und wohl auch vom abwesenden FDP-Stadtrat Stonek) unterstützt wurde – und ein Alternativkonzept von Linken, Pro Arnstadt und CDU. Im Gegensatz zur Finanzausschusssitzung am  Montag war dessen maßgeblicher Urheber Frank Kuschel diesmal auch anwesend und konnte es erklären. Er tat es so sachlich und ruhig, dass man fast schon den Eindruck haben konnte, jemand habe ihm etwas in den Kaffee getan. Man stelle sich vor, so ein sachkundiger Mensch würde dem Finanzausschuss vorstehen. Nicht auszudenken. Auf der anderen Seite argumentierte auch Bürgermeister Alexander Dill fast ohne erhobenen Zeigefinger für seinen Vorschlag. So wie in einer richtigen Debatte zwischen Erwachsenen.

Am Ende, bis zur Bürgerfragestunde war es noch ein Weilchen hin, stimmte man ganz ruhig ab. Es gewann, schon wegen der Mehrheiten, das Kuschel-Konzept. Tumulte darüber gab es keine. Und wäre da nicht noch etwas nichtöffentlich zu besprechen gewesen, wären die Stadträte zum Abendbrot daheim gewesen.

Ich finde, das ist nach all den Verletzungen, die rund um die Bürgermeister-Nichtabwahl passiert sind, eine Leistung, die man würdigen sollte. Ganz ohne Ironie, denn es ist sicher einigen nicht leicht gefallen, sich dermaßen zurückzuhalten. Und vielleicht könnte es sogar ein Anfang sein, dauerhaft zu einer gemeinsamen Arbeit zurückzufinden.

Aber was ist eigentlich herausgekommen?

Noch weiß niemand, ob das beschlossene Konzept überhaupt umgesetzt werden kann, denn die Kommunalaufsicht muss es noch bewerten. Da hat das verabschiedete Kuschel-Konzept vielleicht etwas schlechtere Karten als das des Bürgermeisters, weil sich das enger an den Vorgaben des eingesetzten Sanierers Brodbeck orientierte. Der wiederum weiß, was man im Landesverwaltungsamt gerne lesen möchte.  Aber im Grunde unterscheiden sich beide Papiere gar nicht so stark. Auch im letzten Entwurf  des Bürgermeisters ist von Schließungen nicht mehr die Rede – und manche Steuer- und Gebührenerhöhung war unter Vorbehalt gestellt. Außerdem scheint sich die aktuelle Finanzlage der Stadt so rosig darzustellen, dass die Verabschiedung eines Haushaltes für 2016 durchaus realistisch erscheint.

Trotzdem ist es gut, dass das Konzept der Stadtrats-Mehrheit gewonnen hat. Ob es inhaltlich besser ist, kann ich nicht bewerten, Unwägbarkeiten gibt es in beiden Varianten. Aber die Vorlage von Linken, CDU und Pro Arnstadt bindet die Abwahl-Allianz in die Stadtfinanzen ein.

Es kann sein, dass die Hürde mit dem leidigen aktuellen Finanzloch  jetzt genommen werden kann. Doch Aufatmen sollte trotzdem keiner, denn die Probleme der Stadt sind damit nicht gelöst. Nur dadurch, dass der nächste Arnstädter Bürgermeister etwas weniger Gehalt bekommt (so stehts im Beschluss), ist die finanzielle Schieflage nicht beseitigt.

Hier nur einige der offenen Fragen:

  • Wann beginnen endlich die Verhandlungen mit dem Marienstift über eine sinnvolle Weiterführung des Tierparks?
  • Wie könnte ein zukunftsfähiges Konzept für unser schönes kleines Theater aussehen?
  • Wo bleibt das Personalentwicklungskonzept für die Stadtverwaltung, das schon Bürgermeister Köllmer versprochen hatte?
  • Wie sähe ein vernünftiger und für beide Seiten akzeptabler, aber nicht ganz so üppiger Stadthallenvertrag aus?
  • Was kann man tun, um die Zuschüsse für das Bad abzusenken, ohne dessen Existenz in Gefahr zu bringen?

Aber Bürgermeister und Stadtrat zusammen können das schaffen. Denn die heutige Sitzung hat gezeigt:
Geht doch.

Die vom Stadtrat beschlossene Vorlage für das Haushaltssicherungskonzept gibts hier

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