Es gibt Sachen, die man kaum glauben will. 13 Jahre, nachdem ein Extremisten-Trio angeblich spurlos aus Jena verschwunden ist und zwischenzeitlich geraubt und gemordet haben soll, wie es wohl beispiellos in der deutschen Geschichte ist, werden in kurzer Zeit zahlreiche offene Verbrechen geklärt. Wie auf einem Silbertablett werden den Ermittlern im Nachlass der toten Gangster Beweise für viele Taten präsentiert, in einer Fülle, die stutzig macht. Es sieht fast so aus, als hätten die Täter die Aufklärung ihrer Taten mindestens genau so akribisch geplant wie diese selbst.
Wie krank muss man sein, um so vorzugehen?
Und was könnte es sein, dass diese Leute angetrieben hat?
Wenn es der Förderung der braune Ideologie gedient haben soll, dann muss man sagen: So blöde kann eigentlich keiner sein. Von dem Schaden, den diese Mordserie der Bewegung zwischen NPD und der letzten Kameradschaft zufügt, dürften sich die Rechten so schnell nicht erholen. Und in den nächsten zehn Jahren kann sich nicht einmal ein Dorfpolizist erlauben, mit dem rechten Auge auch nur leicht zu blinzeln. Ganz zu schweigen von dem Scheitern des Versuchs, rechten Bewegungen ein harmloses Aussehen zu verpassen, um sie wählbar zu machen. Jeder, der mit solchen Ideen sympathisiert, kann sich in diesen Tagen nur sehnlichst wünschen, die drei wären schon 1998 in ihrer Jenaer Bombenwerkstatt beim Basteln verunglückt.
Die drei haben, ob nun bewusst oder unbewusst, die Gefährlichkeit rechten Gedankenguts durch ihrer Taten vollständig demaskiert. Die Mitte der Gesellschaft ist von dieser braunen Ideologie in diesen Tagen wohl so weit abgerückt wie schon lange nicht. Darüber könnte man fast froh sein, hätte es nicht so vielen Menschen das Leben gekostet.
Das Wüten der Bande taugt nicht einmal als Märtyrer-Geschichte, von wegen gute Deutsche und böse Ausländer. Wer vormittags einen griechischen Unternehmer erschießt, am Nachmittag eine deutsche Bankangestellte mit einer Pistole niederschlägt und am Abend beim griechischen Wirt im Untergeschoss der eigenen Wohnung Ouzo trinkt, der taugt nicht zum rechten Märtyrer.
Das „System“ hat dem Trio im übrigen auch nicht sonderlich übel mitgespielt. Nicht einmal für schon verübte Taten wurden sie zur Verantwortung gezogen. Das ist wie Robin Hood ohne den Sheriff von Nottingham und ohne Bedürftige, die beschenkt werden. Das ist nur kriminell.
Wenn stimmt, was man bis jetzt erfuhr, wandelten sich die drei immer mehr von jugendlichen Rechtsradikalen zu stinknormalen Mördern und Räubern mit rechtsextremer Alibi-Ideologie. Ihr Tagwerk bestand zuletzt wohl überwiegend darin, sich durch Überfälle Geld zu beschaffen, ohne Spuren zu hinterlassen.
Erst zum Schluss war man mit Spuren nicht geizig. Im Wohnwagen in Eisenach lagen nicht nur die Pistole und die Handschellen der in Heilbronn getöteten Polizistin, sondern auch die ganze Beute aus dem Arnstädter Banküberfall vom September. Dass diese Sachen schon länger dort lagen, ist auszuschließen. Der Wohnwagen wurde erst nach dem Überfall in Arnstadt angemietet.
Dann waren plötzlich die beiden Männer tot und der Wohnwagen brannte. Und drei Stunden später flog die Wohnung des Trios in Zwickau in die Luft, aber nicht so schlimm, dass die Trümmer nicht auch als ergiebige Spurenoase getaugt hätten. Damit gleich klar war, wer es gewesen ist, gab die Verursacherin noch vorher die Katzen bei der Nachbarin ab. Und plötzlich wurden vier Jahre alte Bekennervideos losgeschickt, von wem auch immer. Und von wem auch immer diese DVDs produziert wurden. Ob der geistige Horizont dieser Typen wirklich dazu ausreichte, mit den technischen Möglichkeiten von 2007 einen solchen Film alleine herzustellen, darf bezweifelt werden.
Aber warum töteten sich die beiden Männer in einem Wohnwagen in Eisenach, nur weil ein einzelner Streifenwagen auftauchte? Selbst wenn sie den Polizeifunk abgehört hätten: Die Lage war für sie nicht aussichtslos. Und ihre Brutalität hatten sie früher schon unter Beweis gestellt. Und warum blieb Beate Z. am Leben?
Solche Fragen werden gegenwärtig vor allem in rechten Internetforen diskutiert. Dort bastelt man bereits an Verschwörungstheorien, um den Schaden für die Szene nicht zu groß werden zu lassen. Das wäre eigentlich ein Grund, sich gar nicht damit zu beschäftigen und abzuwarten, was am Ende die hoffentlich unabhängigen Ermittler herausbekommen. Und vielleicht gibt es auf viele Fragen sogar ganz banale Antworten.
Aber vorläufig bleibt ein komisches Gefühl: Es sieht alles so inszeniert aus. So glatt. Und so furchtbar, das man es nicht glauben will.
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Ein Gedanke zu „Geruch von Inszenierung“