Einwohnerveredelung

Der Arnstädter Stadtrat hat so früh wie selten ziemlich einvernehmlich einen ziemlich guten Haushalt beschlossen. es wurde zwar ein bisschen gestritten, aber zivilisiert und um Sachthemen, nicht gegen Leute. Was ist da nur los? Haben die was genommen?

Im Stadtrat fiel heute öfter das Wort „Einwohnerveredelung“. Nun ist mir aus vielen leidvoll durchlittenen Haushaltsberatungen zwar geläufig, dass es sich dabei um eine profane Finanzrechnung aus dem kommunalen Finanzausgleich handelt, aber das Wort übte schon immer eine große Faszination auf mich aus. Ich stelle mir  dann immer eine Maschine vor, in die auf der einen Seite ein armer und missgelaunter Frührentner aus dem Westviertel hinein geschoben wird – und auf der anderen Seite ein fröhlicher  und sozial engagierter Mittvierziger in einen dicken Schlitten steigt und zu seinem prächtig Häuschen am Berggartenweg fährt.

Dieses Bild ging mir auch heute durch den Kopf, als ich im Stadtrat saß und aus dem Staunen nicht herauskam. Aus allen Fraktionen heraus wurde der Haushaltsentwurf des Bürgermeisters und seine gute Kommunikation mit den Stadträten gelobt. Am Ende hatte zwar Frank Kuschel noch ein paar Mal mit den Füßen gescharrt, aber es gab einen Haushalt, der ohne Gegenstimmen bei nur vier Enthaltungen angenommen worden war. Die vier gegenstimmen waren die vier anwesenden Stadträte der „Linke“. Gerhard Pein, auch von der Linken, stimmte dem Haushalt zu.  Und bei den Änderungsanträgen, die von der „Linken“ vorgelegt worden waren, stimmten die Fraktionen nicht etwa wie sonst geschlossen dafür oder dagegen, sondern jeder nach seinem Gewissen. So, wie es die Eidesformel sagt, die jedem der vier heute neu aufgenommenen Stadträte aus dem Wipfratal vorgelesen wurde.

Nun ist eines der Geheimnisse dieses Haushalts eben jene Fusion mit dem Wipfratal, die  mal eben so sechs Millionen Euro vom Land  in die Stadtkasse fließen ließen. Aber das zweite Geheimnis ist das geschickte Agieren des Bürgermeisters, der nicht nur einen guten Entwurf (und das ohne Kämmerer) vorgelegt hatte, sondern viele Ideen der Fraktionen im Nachhinein noch berücksichtigte. So kam ein Haushalt heraus, in dem sich auch die Stadträte wiederfinden. So einfach kann manchmal Politik  sein.

Als dann auch noch Frank Kuschel zugab, dass ihm „politische Irrtümer nicht fremd“ seien, war ich versucht, das Rathaus nach einer Stadträteveredlungsmaschine zu durchkämmen.

Aber man sollte wohl nicht allzu optimistisch sein. Denn dieser Stadtrat tagt nur noch zwei Mal, dann wird er neu gewählt. Und wenn man so hört, wer sich da so alles für eine Kandidatur interessiert, könnte es dann wieder allerhand zum Veredeln geben.

Ein Gedanke zu „Einwohnerveredelung“

  1. Mein Facebook-Kommentar, wenn’s erlaubt ist, auch an dieser Stelle:

    Lieber Herr Pfeiffer, das haben Sie sehr schön geschrieben. Allerdings glaube ich, dass Sie selbst auch ein wenig der Berichterstattung der TA auf den Leim gegangen sind, denn so streitsüchtig wie dort oft behauptet war der Stadtrat gar nicht. Es spiegelte sich in dieser Berichterstattung, die kaum diesen Begriff verdiente, eben die eher konfrontative Amtsführung von Spillings Vorgänger wieder.
    Aber soweit sind wir, dass eine normale, freundliche und Gemeinsamkeiten suchende Haltung eines Bürgermeisters schon als Wunder gilt. Dabei sollte selbstverständlich sein, und ich bin zuversichtlich, dass es das auch bald sein wird.

    Ihr kleine Anspielung habe ich schon verstanden. Ich kann Ihnen nur sagen: ich bin schon ein wenig stolz darauf, zusammen mit Jens Petermann und meiner Frau Judith Rüber sehr früh die Qualitäten des Frank Spilling erkannt zu haben und ihn in der Stichwahl unterstützt zu haben. Egal welchem „Lager“ er zuzuordnen sei. Weil er die charakterlichen Voraussetzungen für dieses Amt mitbringt. Wir sind viel kritisiert worden für unsere harte Kritik an Dill, aber es zeigt sich jetzt immer deutlicher, wie dringlich ein Wechsel war.

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